Googlomanie

12.01.2008


Bild:Carrera Go Modellrennauto
Bestimmte Marken sind zu Gattungsbegriffen geworden. Zum Beispiel spricht (kaum) jemand von Papiertaschentüchern sondern sagt einfach "Tempo", obwohl recht viele verkaufte Papiertaschtücher keine "Tempos" sind. Gleiches gilt für "Nutella" statt Nuss-Nougat-Creme (rsp. extrem süßer Brötchenaufstrich) oder "Carrera" statt elektrische Modellautorennbahn. Auch der Gattungsbegriff Internet-Suchdienst wird von kaum einem Mensch verwendet. Hier sagt man einfach "Google". Bei diesem Begriff geht man sogar noch einen Schritt weiter. Viele verwenden sogar das Verb "googlen", wenn sie die Benutzung eines Internet-Suchdienstes meinen - oder allgemein die Recherche im Internet und diese beiden Tätigkeiten als gleichartig betrachtet werden. Das ist etwas gleichbedeutend damit "ich tempoe" zu sagen, wenn man meint "ich schnäuze mich" oder "wir carreraren", wenn man mit Freunden an der Autorennbahn spielt.

Aber mit den Wortschöpfungen ist noch lange nicht das Ende der Fahnenstange erreicht, finde ich. Ein weiterer Begriff wird dringend gebraucht, der folgenden Sachverhalt beschreibt: Die eigene oder eine fremde Website in den Suchergebnissen von Google auf vordere Plätze zu bringen. Ich möchte dafür das Wort "Googlomanie" einführen.

Zugegeben gibt es schon artverwandte Begriffe für Googlomanie. Da wäre zum einen das Google-Bombing. Diese Bezeichnung ist etwas irreführend, denn es handelt sich hier um Googlomanie in böswilliger Absicht (böswillig in dem Sinne, daß es für den Betreiber der Website unvorteilhaft ist). Beim Goole-Bombing geht es darum, daß eine fremde Website bei Eingabe unschöner Suchbegriffe auf vorderen Plätze zu bringen. Klassisches Beispiel: Bei Suche nach "miserable failure" (dt: totales Versagen/Versager) erhielt man viele Jahre die offizielle Website von George W. Bush als erstes Ergebnis.

Aber es gibt auch eine positive Ausrichtung der Googlomanie. Ein ganzer Geschäftszweig basiert diesen Ambitionen. Was auch logisch ist, denn mit jeder Psychose kann man schönes Geld verdienen. Googlomanie-Befallene finden bei sogennanten SEOs ihren nötigen Stoff. SEO steht dabei für "Search Engine Optimisation" (dt: Suchmaschinenoptimierung). Die Bezeichnung ist natürlich irreführend, denn abgesehen von ein paar wenigen Angestellten bei den Suchdienst-Betreibern ist niemand in der Position, um Suchmaschinen zu optimieren. Die tatschächliche Tätigkeit des SEO besteht darin, eine Website dahingehend zu verbessern, daß sie bei bestimmten Suchbegriffen auf vorderen Plätzen bei den Suchbegriffen erscheint.

Nun stecken hinter dem SEO durchaus begründete wirtschaftliche Interessen. Da halt viele Leute "googlen", um an bestimmte Informationen zu erlangen, und sich häufig nur die ersten Suchergebnisse anschauen (das sind die Seiten, die von der Suchmaschine als besonders treffend für den Suchbegriff bewertet wurden) sollte man mehr Besucher auf seiner Seite. Mehr Besucher = mehr Kaufinteressenten = mehr Verkäufe = mehr Einnahmen = mehr Geld. Ob diese Gleichung wirklich aufgeht, kann man sicherlich begründet anzweifeln, aber es geht mir hier gar nicht um den kommerziellen Aspekt. Tatsächlich gibt es viele Menschen, die ohne wirtschaftliche Interessen vordere Suchergebnisplätze anstreben. Sie möchte einfach gefunden, also beachtet werden, so dass ihnen mit Hilfe der Suchmaschine mehr Aufmerksamkeit geschenkt wird. Googlomanie könnte man also auch als Online-ADS umschreiben (ADS steht für Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom. Das ist eine der aktuellen Modekrankheiten. Manche nennen sie auch Hyperaktivität)

Da nicht jeder Googlomane einen teuren SEO bezahlen kann, der für ihn die "Drecksarbeit" macht, versuchen sich viele selbst an der Optimierung ihrer Website. Das ist eigentlich gar nicht so schwierig. Wenn man (a) wirklich etwas Nenneswertes zu einem Thema beitragen kann, (b) die formellen Vorgaben des HTML-Standards einhält, (c) ein klares und einfaches Layout verwendet und (d) andere Menschen ebenfalls der Meinung sind, daß man etwas Nennenswertes beigetragen hat und dies mit einem Link manifestieren, dann sind schon 95% des SEO erledigt. Leider scheitern die meisten Googlomanen bereits an (a).

Nun kursieren im Netz allerlei Tipps, wie man erfolglich die eigene Seite in die Suchergebnisse hochtreiben kann. Manch Tipps basieren auf eigener Erfahrung, manche sind weitererzählt und manche sind - nach dem Stille-Post-Prinzip - eher als Legenden zu bezeichnen. Vor einigen Jahren eine Person in einem Diskussionsforum ernsthaft vorgeschlagen, daß man möglichst häufig auf einen Link klicken soll, um die verlinkte Seite in den Suchergebnissen hochzuschieben.

Der Hintergrund dieser kühnen Behauptung war folgender: Google hatte angekündigt, das Nutzerverhalten zu protokollieren - und zwar in folgendem Sinne. Nehmen wir mal an, viele Menschen suchen nach "Blümchentapete" und bekommen eine Ergebnisliste mit Links und kurzen Texten auf Websites zu diesem spannenden Thema. Nehmen wir weiterhin an, fast alle der Suchenden klicken auf das dritte Suchergebnis weil sie dieses anhand des kurzen Textabschnitts als besonders passen einschätzen. Dann könnte man daraus schließen, daß das dritte Suchergebnis besonders treffend ist und in Zukunft auf den ersten Platz gehört. Obwohl diese Art der Suchenden-Beobachtung (rsp. Überwachung) bis heute nicht realisiert ist, hat sich in machen Köpfen die Assoziation "Link klicken"="besserer Suchergebnisplatz" festgesetzt.

Selbst wenn das Verhalten der Suchmaschinennutzer auf diese Weise protokolliert würde, dann wäre der Effekt es auf die Suchmaschinenergebnisse beschränkt. Wenn also von Oma Ernas Webkochbuch ein Link auf Tante Friedas Online-Blümchenladen gesetzt wurde, dann hat das Klicken dieses Links auf die Suchergebnisse folgende Auswirkung:   [In Worten: keine]. Das kann gar nicht anders sein, denn Google erfährt nichts davon, wenn jemand Oma Erna zu Tante Frieda surft. Ok, das stimmt nicht ganz: Wenn Tante Frieda mit Google-Analytics arbeitet, dann bekommt Google etwas davon mit aber das hat wiederum keinen Einfluß auf die Suchergebnisse.

Anmerkung am Rande: Der Link selbst bringt natürlich einen Such-Vorteil für Tante Frieda (vgl (d) weiter oben). Aber das häufige Klicken dieses Links bringt keine weitere Verbesserung.

Ungeachtet der technischen Unmöglichkeiten sprießen die Mythen rings ums SEO munter aus dem Boden. Neulich hat in den XING-Diskussionen jemand vorgeschlagen, daß man wichtige Begriffe besser mit Bindestrich als mit Leerzeichen oder Komma trennen sollte, damit sie als Suchbegriffe taugen. Auch das ist wieder ein Beispiel, wie aus einer Tatsache per stille Post kompletter Unsinn werden kann.

Fakt ist: In einem Domainnamen dürfen keine Leerzeichen oder Kommas enthalten sein. Wenn man einen neuen Domainnamen reservieren möchte, muß man darauf achten. Möchte also der Verein der "Wald- und Wiesenfreunde" seine eigene Homepage anlegen, dann geht nicht "www.wald- und wiesenfreunde.de" Das Problem sind die Leerzeichen beim "und". Was geht, wäre zum Beispiel "www.wald-und-wiesen-freunde.de" oder "www.waldundwiesenfreunde.de" Interessanterweise ist die zweite Variante nicht nur schlechter lesbar, sie ist auch hinsichtlich der Google-Suche nach "Wald" und "Wiesen" ungünstig. Aus folgendem Grund: "waldundwiesenfreunde" wird als ein Begriff gelesen während "wald-und-wiesen-freude" als die vier Begriffe "wald", "und", "wiesen" und "freunde" gewertet wird. Folglich hat die Trennung mit Bindestrich nicht nur den optischen Vorteil sondern auch den suchmaschienentechnischen.

Wohlgemerkt gilt diese Betrachtung nur für Domainnamen, weil dort keine Leerzeichen erlaubt. Im normalen Text einer Seite kann man "Wald und Wiesen" schreiben oder "Wald-und-Wiesen". Stellt sich auch hier die Frage: Was ist günstiger hinsichtlich guter Suchergebnisse? Die Antwort: das ist vollkommen egal. Ob nun mit oder ohne Bindestrich ist man hier mit den Begriffen "Wald", "und" und "Wiesen" vertreten. Wie diese Begriffen voneinander getrennt sind, ob nun mit Leerzeichen, Komma, Punkt oder gar einer HTML-Entity wie zum Beispielt   (was im Browser auch als Leerzeichen angezeigt wird), hat überhaupt keine Auswirkung auf die Suchergebnisse.

Das-schreiben-mit-Bindestich-in-dieser-Form-würde-also-bei-
Google-keinen-Vorteil-bringen.-Aber-es-sieht-beschissen-aus.

Damit dieser Artikel nicht noch länger wird, belasse ich es mit diesen zwei Google-Mythen. Wenn mir noch weiter über den Weg laufen, dann gibt es neue Artikel. Das ist auch eine Möglichkeit, um Bewegung in meinen Blog zu bringen. Zu den Auswüchsen der Googlomanie gibt es bestimmt noch viel zu berichten.