Fahrrad oder Schwimmen - nicht beides!

06.06.2007

Daß dieser Sommer so früh gekommen ist, sollte nicht weiter verwunderlich sein. Schließlich glänzte der Winter durch Abwesenheit. Der allgemeine Mangel an Kälte führt unweigerlich dazu, daß bereits die ersten Sonnenstrahlen im Frühling eine sommerliche Hitze hervorzaubern können. Nun gut, diese Erklärung mag etwas sehr vereinfacht sein - vermutlich stimmt sie auch nicht - aber der Klimawandel ist gar nicht das Thema dieses Beitrags.

Es geht mir vielmehr um den Beginn der Freibad-Saison bzw. den Ausfall derselben wegen Mangel an Freibädern. Es fing damit an, daß wir ins Freibad Geraberg gehen wollten. Diese Institution der öffenlichen Körperbetrachtung bleibt voraussichtlich dieses Jahr geschlossen. Mangel an Geld ist die simple Ursache und unüberwindliche Hürde für den Sprung ins erfrischende Naß für die Bewohner des kleinen Dorfs im thüringer Wald. Das Loch in der Gemeindekasse hatte sich bereits letztes Jahr angekündigt und es nicht weiter verwunderlich, wenn sich eine Ortschaft, deren Ausdehnung kaum über ein schmales Tal hinausreicht auch finanziell nicht zum großen Sprung anheben kann.

Weit überraschender - weil nicht angekündigt - war ich, als ich sehen mußte, daß auch das Erfurter Nordbad momentan wegen baulicher Mängel ebenfalls geschlossen bleibt. Während zu DDR-Zeiten als Ursache für bauliche Mängel eventuell ein Mangel an Baustoffen oder Bauarbeitern herhalten könnte, so kann man in der freiheitlichen Wirtschaftsordnung nur eine Ursache für bauliche Mängel ausmachen: Ein finanzieller Mangel. Es fehlt schlicht das Geld, um das altehrwürdige Bad in einen benutzbaren Zustand zu versetzen. Übrigens kann man die hübsche 20er-Jahre-Architektur des Bads wegen baulicher Verschlimmbesserungsmaßnahmen in der Vergangenheit kaum noch ausmachen.

Nun ist finanzelle Engpässlichkeit in den Kommunen - vergleichbar einer hochansteckenden Krankheit - inzwischen weit verbreitet. Die gesamtdeusche konjunkturelle Erholung hat bisher nicht zur deren Auswirkungen mildern konnte. Auch die stattliche Kasse der Landeshauptstadt Thüringens kann Baden gehen - im krassen Gegensatz zu ihren Bürgern, die Mangels Gelegenheit eben nicht Baden gehen dürfen.

Bei etwas genauerer Betrachtung scheint aber die versiegte Finanzfluß nicht für das Versiegen der Freibadwassers allein als Begründung auszureichen. Knapp einen halben Kilometer vom Nordbad entfernt, befindet sich die Radrennbahn. Diese sportliche Einrichtung war längere Zeit außer Betrieb und scheint jetzt eine dringend nötige Erneuerung bekommen zu haben. Weit sichtbar hat die Radrennbahn ein neues Dach bekommen - vorher war sie eine Open-Air-Einrichtung. Das Dach selbst hat zwar aufstrebende Elementen wirkt aber sonst durch die dicken Stahlstreben eher wuchtig und sieht auf jeden Fall teuer aus. Es muß also Geld für Sportstätten da gewesen sein. Dieses ist nicht in die Abdichtung des Bades nach unten sondern in die Abdichtung der Rennbahn nach oben geflossen.

Was hat die Stadtväter dazu bewogen, das Geld auf diese Weise auszugeben? Zweifellost muß man im Angesicht leerer Kassen Prioritäten setzen. Die Wahl zwischen Freibad und Radrennbahn war bestimmt nicht einfach. Beides Anstalten der sportlichen Betätigung besitzt das Freibad den größeren Spaßfaktor während die Rennbahn mehr dem Wettbewerb der ernsthaften Sportler dient. Keine Frage, bei Letzterem ist die Geldausgabe aufgrund der Ernsthaftigkeit eher gegeben. Wirklich?

Also: Die Radrennbahn ist etwas für den professionelleren Sport, wenn nicht nur Profis doch für wenige Amateursportler, die viel Zeit in intensives Training investieren können. Im Freibad kann jeder aktiv unabhängig seiner Fitness betätigen. Genau da kann man eine andere Priorität: Wieviele Personen können sich für das Geld betätigen? Angesichts von wenig Bewegung und des vielen Essens werden die Deutschen immer dicker. Das Problem wurde bereits an höchster politischer Stelle angesprochen. Konkrete Aktivitäten gegen die Überfettung sind dagegen rar. Ein Freibad wäre eine einfache Möglichkeit, viele Menschen zu mehr Bewegung zu animieren. Zumal ja gerade Schwimmen gerade für sehr Übergewichtige als Bewegungsform empfohlen wird. Ganz zu schweigen von den vielen Jugendlichen, die gern ins Freibad gehen. Wo bleiben die, wenn das Bad geschlossen ist? Wo hängen die in der Stadt ab? Der Sportfreund darf nur beim Radrennen zuschauen. Warum haben sich die Stadtväter so entschieden?

Vielleicht stand nie die Wahl zwischen Radrennbahn und Freibad. Beide Sportstätten werden eventuell aus unterschiedlichen Töpfen bezahlt und niemand mußte sich zwischen beiden entscheiden. Auf jeden Fall kommt das Geld für solche Baumaßnahmen aus Steuergeldern. Letztendlich kann (oder muß) der Steuerzahler entscheiden, ob sein Geld sinnvoll eingesetzt wurde. Je heißer der Sommer umso weniger wird er den gewählten Geldfluß zustimmen wollen.

Vielleicht wollten die Politiker zeigen, daß sie keine populistischen Entscheidungen treffen müssen. Sie widmen sich dem prestigeträchtigen Radsport während der Normalbürger in den einfachen Baggersee oder einen Tümpel hüpfen muss.


Das Ganze in Zahlen:
*Kosten für die Überdachung der Radrennbahn: etwas über 6 Millionen Euro.
*Geschätzte Kosten für die Sanierung des Nordbads: etwas 8 Millionen Euro

Nachtrag 11. Juni 2006: Das Freibad in Geraberg ist inzwischen wieder geöffnet.