22 Prozent

27.04.2007

Heute hat man im Deutschlandradio Kultur mal wieder das beliebte Thema "Benachteiligung" herausgefischt und durchgekaut. Konkret gibt es um die Benachteiligung von Frauen und noch konkreter um deren geringeres Einkommen. Aufhänger war irgendeine Statistik, nach der Frauen ein um 22 Prozent geringeres Einkommen haben als Männer. Das Thema - obwohl sehr alt - hat einige heftige Reaktionen der Hörer ausgelöst.

Zu Anfang muß man natürlich bemerken, daß für solche Zahlen die allgemeine Regel gilt: "Traue keiner Statistik, die du nicht selbst gefälscht hast". Bevor man sich über 22 Prozent Unterschied wundert, sollte man sich vielleicht die zugrundeliegenden Zahlen ansehen. Die sollen hier nicht betrachtet werden, sondern eher, was nicht in den Zahlen steht.

Man muß ja ehrlich zugeben, daß die gesellschaftliche Bewertung bestimmter Tätigkeiten nicht zwangsläufig mit deren Bedeutung für die Gesellschaft zusammenpasst. Da wäre zum Beispiel das - ebenfalls alte aber immer beliebte - Thema Kindererziehung. Zweifellos ist die Kindererziehung die wichtigste Aufgabe in der Gesellschaft. Wenn die Betreuung der Kinder nicht funktioniert, dann gehen in der nächsten Generation die Lichter aus. Da ist es völlig egal, auf welchen Gebieten man überall Spitze ist. Wenn die Kinder nicht den Grundgedanken der Gemeinschaft weitertragen, dann bricht die Gemeinschaft auseinander. Wenn man genau hinsieht, dann lassen sich die Folgen vernachlässigter Kindererziehung bereits jetzt anschaulich beobachten.

Aber obwohl die Kindererziehung so wichtig, werden Personen, die sich ihr widmen, eher schlecht vergütet. Da rede ich nicht nur von unterbezahlten Lehrern/innen oder Kindererziehern/innen sondern auch speziell von denen, die zu Hause bleiben, um ihre eigenen Kinder zu erziehen. Letztere bekommen überhaupt kein Geld für diese wichtige Tätigkeit. Und da das gerade Frauen betrifft - die zu Hause bleiben - folgt nicht nur die Ungerechtigkeit der schlechten Vergütung sondern auch noch geschlechtliche Benachteiligung. Das möchte ich vorausschicken, bevor um die Bewertung der 22 Prozent geht.

Aber zurück zum eigentlichen Thema: Das klassische Familienbild - der Mann arbeitet, die Frau kümmert sich um den Haushalt - hat ja auch Vorteile für die Frau. Immerhin hat sie nicht den Stress einer sich immer schneller drehenden Arbeitswelt. Das Geld, welches der Mann (nahe am Herzinfarkt) mühsam erarbeitet, kann sie in aller Ruhe ausgeben. Also sollte man eigenlich nicht das Einkommen von Mann und Frau vergleichen, sondern wieviel sie zum Ausgeben zur Verfügung haben. Leider läßt sich der Umfang socher inner-ehelicher Transferleistungen zwischen Mann und Frau schwer statistisch erfassen. Was sich aber leicht erfassen läßt sind, sind die nach-ehelichen Transferleistungen. Man nennt sie auch Unterhaltszahlungen.

Was Unterhaltszahlungen angeht, habe ich auch mal eine Statistik gelesen. Angeblich sind 98 Prozent der Unterhaltspflichtigen Männer. Und diese Zahl zeigt - selbst bei Berücksichtigung von Statistikfälschung - ein extremes Ungleichgewicht. Es müssen Milliarden Euro sein, die jährlich von Männern an Frauen gezahlt wird. Wenn man es genau nimmt, dann müßte man diese Zahlungen vom Einkommen der Männer abziehen - weil sie zwar dafür arbeiten müssen, aber es nicht ausgeben können - und dem Einkommen der Frauen hinzurechnen. Wenn man das bei der Einkommensstatistik berücksichtigt, dann schmelzen die 22 Prozent ziemlich zusammen.

Überhaupt sollte man mit Verteilungen sehr vorsichtig sein. Irgendjemand hat mal gesagt, daß zwei Drittel (=66 Prozent) des Vermögens aller US-Amerikaner in der Hand von Frauen liegen (Auch so eine Statistik). Wie die Ungleichheit zustandegekommen ist, kann man sich nur über geschickte Heirats- und Erbschaftsplanung erklären. Aber bei 66 Prozent kommt man in die Versuchung zu behaupten, daß es den Frauen gar nicht so schlecht gehen kann, wenn sie soviel mehr Geld als die Männer haben. Der Haken an der Sache ist: diese zwei Drittel sind ein Mittelwert. Mittelwerte haben eine sehr geringe Aussagekraft, wenn die Verteilung extrem ungleich ist. Beim Vermögen ist genau das der Fall. Ein paar Superreichen steht eine große Masse von Armen gegenüber. Da relativieren sich die zwei Drittel Vermögensanteil. Was nützt es den Millionen Frauen ohne Vermögen wenn es ein paar tausend Vertreterinnen ihres Geschlechts gibt, die über so riesige Finanzmengen verfügen, daß sie im Mittel besser als die Männer dastehen? Selbst wenn es weibliche Solidarität gäbe, würde sie nicht so weit reichen, um hier einen Ausgleich zu schaffen.

Beim Einkommen ist die Ungleich-Verteilung genauso. Ein paar Männern, die extrem viel verdienen, steht eine große Masse mit geringen Einnahmen gegenüber. Wenn man - egal ob Mann oder Frau - auf eine hochdotierte Position kommen möchte, dann muß man sich mit viel Ellenbogen durchboxen. Das bedeutet eisernen Willen, Stress und das Risiko, auf halber Strecke mit einem Herzinfarkt liegenzubleiben. Das sich Frauen dieser Quälerei ungern aussetzen, zeugt von Vernunft. Aber es stellt sie auf eine Stufe mit Männer, die ebenfalls zugunsten eines nervenschonden Berufslebens auf das große Geld verzichen. Nur sind das nicht alle Männer, so daß es eine Verschiebung im Mittelwert geben muß.

Es ist nunmal so = der Druck, sich eine einkommenstarke Tätigkeit zu suchen, ist nunmal für Männer wesentlicher größer als bei Frauen. Ein Mann, der wenig verdient, ist ein Niemand - nicht sexy, nicht als Partner interessant = ein Aussenseiter. Eine Frau kann viel leichter mal eben reich einheiraten und sich - ohne ein statistisch relevanten Einkommen zu beziehen - den Zugang zu viel Geld verschaffen. Da diese Option besteht, darf man sich über 22 Prozent nicht wundern. Man sollte sich eher wundern, warum es nur 22 Prozent sind, obwohl der Druck zum eigenen Einkommen so gravierend anders ist. Aber das liegt vermutlich daran, daß es heutzutage für viele Frauen keine erstrebenswerte Lebensplanung ist, bei einem reichen Schnösel unterzukriechen.

22 Prozent geringeres Einkommen klingen wie eine himmelschreiden Ungerechtigkeit. Hier wird gern darauf hingewiesen, daß Frauen das gleiche Leisten können wie Männer. Das ist nicht der Fall. Denn dann könnten sie auch Wehr- und Zivildienst wie Männer leisten. Tun sie aber nicht. Als Gegenargument wird hier von weiblicher Seite gern herangezogen, daß Frauen durch spätere Kindererziehung genug benachteiligt sind, und deshalb keine Wehrpflicht haben. Aber zur Armee geht man üblicherweise in der Jugend. Kinder hat man erst später. Was ist mit den Frauen, die keine Kinder haben wollen und trotzdem keinen Dienst leisten? Warum kann ein Mann nicht erklären, daß er die Absicht hat sich später um Kindererziehung zu kümmern und so die Wehrpflicht umgeht? So etwas würde Gleichberechtigung bedeuten, aber soweit reicht es nicht. Ok, das ist nur eines von vielen Gebieten der Gleichberechtigung. Klare Benachteiligungen von Männern wurden immer ausgeklammert. Wenn man es genau nimmt, dann ging es bei der Gleichberechtigung immer darum, Benachteiligungen für Frauen abzuschaffen, ohne an ihren Vorteilen zu rütteln. Aber wer will das den Frauen übel nehmen. Männer würden es in der Situation nicht anders machen (Sie machen es nicht anders).

Was bleibt bei all den Betrachtungen übrig? Zahlen sagen gar nichts. Wenn man wirklich alle Umstände berücksichtigen will, dann verliert man schnell den Überblick. Effektiv kann man solche Dinge nicht vergleichen. Da höheres Einkommen nicht zwangsläufig höhere Lebensqualität bedeutet, sollte man überhaupt erstmal fragen, worin überhaupt die Benachteiligung eigentlich besteht?!