Unerwi(e)derte Eigenliebe

30.10.2007

Zum meinem großen Kummer stelle ich fest, daß ich mein selbstgestecktes Ziel - mindestens einen Artikel pro Woche in diesem Blog zu stellen - nicht erfülle. Zudem fällt mir keine gute Ausrede für die mangelnde Schreibtätigkeit ein. Es ist sicherlich richtig, daß ich wenig Zeit dafür habe bzw. mir wenig Zeit dafür nehme. Aber das gilt nicht als Ausrede, da ich ja kürzere Artikel produzieren könnte, die weniger Zeit zum Schreiben benötigen. Doch genau das gelingt mir nicht. Sobald ich mit dem Schreiben anfange, komme ich vom Hundertsten ins Tausendste und spätestens beim Hundertmillionsten habe ich keine Zeit mehr und bin - wenn es gut lief - gerade mit der Einleitung knapp fertig. Es ist also nicht die Mangelnde sondern eher ein Zuviel an Schreibtätigkeit, welche mir die Stagnation im Blog verursacht.

Manche Leser dieses Blogs - sofern ich überhaupt welche habe - werden eventuell vermuten, daß es mir an Themen fehlt. Das ist sicherlich nicht so. Mir fallen spontan vier Themen ein, über die ich sofort einen Artikel schreiben könnte. Seitdem ich mich über den "zentralen Eckpfeiler" ausgelassen haben, gibt es kein heißes Eisen mehr, welches ich sogar ohne Schutzhandschuhe in die Tastatur klimpern könnte. Doch sobald ich über ein Thema schreibe, fällt mir gleich das nächste ein und ein weiteres. Über eine solche endlose Kette bin ich bei der "Unerwiederten Eigenliebe" hängengeblieben. Mit selbiger fange ich jetzt an.

Zum Thema "unerwiderterte Eigenliebe" fällt mir zuerst die Frage ein, ob es überhaupt "erwidert" oder eher "erwiedert" heißen muß? Der Unterschied zwischen "wider" (ohne E) und "wieder" (mit E) besteht bekanntermaßen darin, daß "wider" im Sinne von "entgegen" oder "dagegen" und "wieder" bei Wiederholungen geschrieben wird. Dieser inhaltlich wesentliche aber rechtschreiblich eher geringe - im Sinne von: leicht zu übersehende - Unterschied wird von vielen Personen aus Unkenntnis oder Nachlässigkeit nicht beachtet. Das will ich hier nicht tun.

Sicher ist: Wenn man von "erwiderter Liebe" rsp. "unerwiderter Liebe" schreibt, muß man natürlich "wider" verwenden. Wenn jemand eine Liebe erwidert, dann wiederholt derjeniges sie nicht. Sondern die betroffene Person setzt der fremden Liebe die eigene Liebe entgegen - wobei der Begriff "entgegen" eventuell nicht der richtige Begriff dafür ist. Aber es ist schon zutreffend, daß hier eine Liebe auf eine andere prallt. Das läßt sich häufig an den recht eindrucksvollen Wirkungen beobachten.

Bei der Eigenliebe ist die Sache mit dem "wi(e)der" etwas anders. Eigenliebe läßt sich nur mit Eigenliebe erwidern. Hier steht also keine andere Liebe entgegen sondern die Liebe trifft auf sich selbst, wird also gewissermaßen wiederholt. Insofern müßte es bei Eigenliebe also "erwiedern" heißen.

Diese Überlegungen zur Schreibweise haben herzlich wenig mit der inhaltlichen Frage zu, was "unerwi(e)derte Eigenliebe" eigentlich ist - oder ob es sie überhaupt gibt. Rein von der Logik her dürfte es unerwiderte Eigenliebe nicht geben. Wenn sich jemand selbst liebt, dann wird diese Liebe auch erwidert, denn der Mensch liebt sich auf gleichem Weg zurück. Unter den logisch handelnden Menschen dürfte es keine Exemplare geben, die unter unerwiderter Eigenliebe leiden. Bei Menschen, deren Lebensprizipien nicht so nach der Logik ausgerichtet sind, lassen durchaus Symptome beobachten, die sich mit unerwiderter Eigenliebe beschreiben lassen. Das es sich bei erstere Gruppe eher um Männer und bei der zweiten eher um Frauen handelt, mag zwar naheliegend sein, ist aber nicht zwangsläufig immer gegeben.

Genaugenommen ist bei diesen bedauernswerten Geschöpfen der Begriff "Eigenliebe" unzutreffend. Es handelt sich um Menschen, die gerne geliebt werden möchen aber selbst nicht lieben können. Eventuell glauben sie, daß sie Lieben können. Aber in Wirklichkeit handelt es sich es sich eine um Besitzansprüche, sklavische Unterwerfung oder andere psychologisch Erscheinungen. Diese 'Liebe', die keine ist, kann natürlich nicht (so einfach) durch Liebe erwidert werden. Solange sich die vermeitliche 'Liebe' auf eine andere Person richtet, kann man die Ursachen für die fehlende Erwiderung beim (erwünschten) Partner suche. Geht es gegen die eigene Person, dann sind die Chancen für Ursachensuche beim vermeitlichen Gegenüber stark eingeschränkt.

So nimmt die Tragödie ihren Lauf. Man glaubt, sich selbst zu lieben, tut es aber nicht. Logischerweise wird die nichtvorhandene Liebe auch nicht erwidert. Man hat es also - in gewissem Sinn - mit unerwiderter Eigenliebe zu tun. Jetzt darf man anmerken, daß das alles ziemlich bescheuert klinkt. Da ich vorher das Vorhandensein von Logik für diese Erscheinung ausgeschlossen habe, ist dieser Einwurf durchaus berechtigt.

Überhaupt muß man bei Eigenliebe und Logik vorsichtig sein. Eigenliebe referenziert sich selbst. Solche Selbstreferenzen bilden in Logik gerne Antinomien (Widersprüche in sich). Bekannt ist das Barbier-Paradoxon: Der Barbier von Sevilla rasiert alle Männer von Sevilla, nur nicht die, die sich selbst rasieren. Wenn das so ist, rasiert der Barbier von Sevilla sich dann selbst?

Dieses Paradoxon läßt sich recht einfach lösen, indem man als Barbier eine Frau wählt (genauer gesagt: eine Person, die sich nicht rasiert werden muß (räusper: Bei dieser Sache geht es um Haarwuchs im Gesicht! Glaube ich zumindest)).

Analog zum Rasieren könnte man auch für das Eigenliebe-Paradoxon eine Lösung anbieten: Der Mann, der alle Frauen liebte, die sich nicht selbst lieben. Dieser Satz enthält keine Selbstreferenz. Doch der Typ ist trotzdem ein armer Tropf. Warum? Diese Frage überlasse ich meinen geneigten Lesern als Hausaufgabe.

Meine persönliche Eigenliebe wird durch diesen Artikel auf jeden Fall gestärkt, denn er erhöht die Artikelquote und besänfitg damit meinen Kummer über nichterreichte eigene Ziele.