Sesam öffne dich

22.08.2007

Zu einer Zeit als die Begrifflichkeit "Technischer Fortschritt" noch positiv besetzt war, wurden uns vielfach die Vorzüge in Hinsicht Bequemlichkeit und Einfachheit gepriesen indem uns Maschinen oder Automaten viele lästige Tätigkeiten abnehmen werden. Daß dieser Fortschritt nicht nur Gutes sondern auch viele ernste Probleme gebracht hat, war vielleicht nicht immer vorhersehbar, aber man hätte es ahnen können. Aber über solche Prognosen will ich gar nicht schreiben. Es geht mir um einen Denkfehler, den man schon von Anfang an hätte sehen können: Der Zuwachs an Bequemlichkeit durch den Einsatz von Automaten ist nicht unbedingt ein Vorzug. Da diese These sehr theoretisch klingt, möchte ich ein Beispiel geben.

In meinem Beispiel geht es um die automatischen Türöffner. Das sind diese unheimlich praktischen Installationen an Flughäfen, Bahnhöfen, Hotels, Supermärkten und anderen Gebäuden mit häufig frequentierten Türen, die mittels eines Sensors feststellen, ob gerade ein Mensch im Anmarsch ist. Wenn ja, werden automatisch zwei Schiebetüren (meist aus Glas) auseinandergeschoben, um der Person den ungehinderten Zutritt zu gewähren. Das klingt nach einer überaus nützlichen Erfindung, der man beim besten Willen nichts Negatives anheften kann! Oder?

Leider erklingt für die alte Tradition des "Tür-Aufhaltens" der Abgesang durch die Automaten. Dabei war Tür-Aufhalten nicht nur eine Möglichkeit altruistische Gesinnung gegenüber den stärker (mit Gepäck) belasteten Zeitgenossen zu zeigen, sondern auch eine Chance, als Gentleman einer begehrenswerten Dame gegenüber unverbindlich eine Art Aufwartung zu machen. Nicht die Emanzipation hat dieser unauffällig/auffälligen Art der Aufmerksamkeits-Zeigung den Garaus gemacht, sondern die automatischen Türöffner. Das ist aber nicht das Thema dieses Artikels.

Daß die Türknauf-Designer durch die automatischen Türöffner in die Nische der privaten und wenig benutzten Türen abgedrängt wurden, will ich auch nicht weiter ausführen. Schließlich hat der Türknauf ein paar Nachteile. Er könnte zu Beispiel unhygienisch sein, weil er von vielen Menschen benutzt wird. Es gibt genügen Hypochonder für die ein potentiell ansteckungskrankheiten-verseuchter Türknauf eine unübwindliche Hürde darstellt. Daß die bewußte Vermeidung von ansteckenden Viren und Bakterien viel gefährlicher ist - weil man die Mikroorganismen niemals vollständig vermeiden kann und ein untrainiertes Körperabwehrsystem anfälliger ist - kann man diesen Personen leider nicht vermitteln.

Nein, der entscheiden Nachteil eines Türknaufs ist sein Handhabung wenn man gerade keine Hand frei hat. Das betrifft Personen, die mit viel Gepäck beladen sind (z.B. zwei Rollkoffer - siehe vorheriger Artikel) und erstmal Gepäckstücke ablegen müssen, um den Türknauf zu bedienen. Hier zeigt der automatische Türoffner seinen entscheiden Vorzug. Der vollgepackte Reisende (welche häufig an Flughäfen und Bahnhöfen anzutreffen sind) oder Einkaufwagen (an Supermärkten) oder Rollstuhlfahrer (überall) können sprichwörtlich "barrierefrei" passieren.

Unabhängig davon hat der automatische Türöffner soviele Vorzüge, daß ich seinen Einsatz auf keinen Fall in Abrede stellen will. Trotzdem gibt es einen Aspekt, der mir bei jeder dieser Installationen negativ auffällt wenn ich darauf zugehe. Konkret geht es um die Frage: "Geht das Ding wirklich auf?" Für viele Menschen mag es selbstverständlich sein, daß sich die automatische Tür immer öffnet und daran keinen Gedanken verschwenden. Aber ich komme an dieser Überlegung nicht vorbei. Zumal sich manche dieser Glasschiebetüren so langsam öffnen, daß ich meinen normalen Gehfluss zumindest für die Dauer eines Wimpernschlags unterbrechen muß, um nicht gegen das Glas zu laufen. Man - zumindest ich - kann also nicht davon ausgehen, daß die Türen immer rechtzeitig geöffnet werden.

Hier komme ich zurück zum entscheidenden Punkt der bisherigen Ausführungen. Bei einer Tür mit Knauf kann ich selbst entscheiden kann ob und wie schnell ich sie öffne. Beides wird mir bei der automatischen Öffnung von den "Maschinen" vorgegeben.

Übrigens: Nicht nur das "Wann" auch das "Ob" kann zu einem Problem werden. Die automatischen Türen innerhalb der ICEs fallen hier negativ aus. Deren Sensoren sind oft so empfindlich, daß sie bei jeder Bewegung in der Nähe öffnen. Selbst Personen, die auf den Sitzen neben der Tür schlafen, können durch kleine Änderungen der Körperlage den Öffnungsmechanismus auslösen. Bei längeren Fahrten kann dieses permanente Öffnen sehr lästig werden. Der Mechanismus läßt sich zwar abschalten, aber dann ist die Tür permanent offen und die Reisenden sind dem (Luft-)Durchzug ausgeseht.

Das ist der Kern der Sache: Man kann nicht mehr selbst bestimmen, ob man die Tür geöffnet oder geschlossen möchte. Allgemeiner: Den Zuwachs an Bequemlichkeit erkauft man sich mit einem Verlust an Entscheidungsfreiheit. Ich möche sogar von einer Entmündigung sprechen - wobei dieses Wort etwas übertrieben klingt. Aber es ist so, daß die Konstrukteure entscheiden, wann und wie sich die Tür öffnen wird. Selbst wenn sie sich die größte Mühe geben, den Bedürfnissen der späteren Nutzer (also Türdurchgeher) zu entsprechen, können sie kaum jede spätere Situation voraussehen. Selbst bei der einfachen Aufgabe des Türöffnens gibt es Konstellation bei ein ausgefeilter Mechanismus nicht angemessen funktioniert.

Unser alltägliches Leben ist voll von solchen Mechanismen.


  • am Auto: Ausschalten des Blinkers wenn das Lenkrad in die Ausgangsposition gedreht wird.

  • an Gebäuden: Schließen/Öffnen von Jalousien je nach Sonneneinstrahlung

  • Software: automatische Ergänzung von Eingaben



Die meisten dier Mechanismen nehmen wir gar nicht wahr. Entweder verrichten sie zuverlässig und unbemerkt ihren Dienst oder wir haben uns an deren gelegentliche Unzuläglichkeit gewöhnt. Nur wenn sie permanent gegen unsere Erwartungen arbeiten, fallen solche Gerätschaften überhaupt auf (Ich erinnere mich an Jalousien, die sich selbst bei heftigster Sonneneinstrahlung immer wieder selbsttätig geöffnet haben)

Ein Automatismus führt zur Entmündigung. Für diese Auswirkung ist/war keine Prognose nötig. Das tritt immer ein. Wer einen Automatismus verlangt, weil er von einer lästigen Tätigkeit entbunden werden möchte, der stimmt auch einem bischen Entmündigung zu. Ein unzuverlässiger oder nicht-erwartungsgemäß funktionieren Automatismus kann wesentlich lästiger werden, als die ursprüngliche Aufgabe, die er übernehmen sollte. Beispiele dafür findet man sehr schnell.


Kunden und Angestellte des Reiseunternehmens "ITS" können bestimmt ein Lied davon singen, wenn die Rechtschreibprüfung ihres Textverarbeitsprogramms den Firmennamen immer wieder in "IST" umwandelt. Immerhin ist es wesentlich peinlicher, wenn im Briefkopf eine falsche Unternehmesbezeichnung steht, als wenn irgendwo im Fließtext mal "its" statt "ist" zu finden ist. Letzteres würde man beim schnellen Lesen gar nicht bemerken - besonders dann, wenn der übrige Text mit Anglizismen überfrachtet ist.


In der Zusammenfassung bleibt mir nur zu schreiben: Oftmals ist es verlockend, einen Automtismus zu haben, der einem lästige Tätigkeiten abnimmt. Doch neben der Bequemlichkeit schränkt man nicht nur die Eingriffsmöglichkeiten ein sondern wird auch abhängig von externen Faktoren, die nicht immer das Wünschenswerte tun.