The 1001st Place to see before you die

26.06.2007

Beim Thema des vorherigen Blog-Eintrags bleibe ich: Tourismus. Aber bei der Wahl des Fortbewegungsmittel gibt es einen kleinen Wechsel.


Buch: 1000 Places to see before you die
Neulich habe ich mir das Buch "1000 Places to see before your die" gekauft. Im Gegensatz zum Titel war der Rest des furchtbar dicken Schinkens deutsch übersetzt (Komisch, dass es ausgerechnet für die Überschrift keine passende Übersetzung gab). Da das Exemplar schon leicht lädiert in der Grabbelkiste lag, hat es mich nur 5 Euro gekostet. Den erbärmlichen Zustand des Werkes sehe ich eher als Vorzug. Es hat schon - obwohl neu gekauft - seine Patina angelegt und sieht so aus, als wäre es mein Begleiter bei mehreren Weltumrundungen gewesen.

Als erstes habe ich mir den Abschnitt "Deutschland" angesehen. Zum Glück habe ich das Heidelberger Schloß, das Brandenburger Tor und Weimar - das ist von Erfurt keine Hürde - schon besucht. Denn zu meinem Erschrecken habe ich viele der wichtigsten Plätze im hiesigen Land (noch) nicht gesehen. Auf der anderen Seite konnte ich mich mit der Auswahl der Objekte nicht recht anfreunden. Empfehlungen für Hotels sind mir etwas zu snobistisch.

Aber ein Manko stört mich besonders: Es fehlt eine Attraktion dieses Landes, welche ich auf jeden Fall in so ein Buch genommen hätte.

Auf die Frage, was man in Deutschland unbedingt erlebt haben muß, hätte ich vor ein paar Jahren vermutlich auch die üblichen kulturhistorischen Bauwerke und pittoresken, lieblichen Landschaften aufgezählt. Aber eine Spezialität dieses Landes wäre mir nie in den Sinn gekommen, obwohl sie bestimmt jeder Deutsche kennt und fast jeder schon erlebt habt. Erst als ich irgendwo gelesen habe, daß es im Ausland geführte Touren gibt, um diese Besonderheit in ihrer vollen Intensität zu erleben, ist mir die Attraktion überhaupt als solche aufgefallen.

Die Rede ist von der: Autobahn - besser gesagt von einer Eigenschaft, welche die Autobahn - im Gegensatz zu ihren Pedants in anderen Ländern - nicht hat: das Tempolimit.

Zugegeben, die meisten Autobahnen hierzulande haben ein Tempolimit. Meist ist es 130km/h, manchmal 100km/h und auf den unzähligen, leidigen Baustellen nur 80km/h oder weniger. Aber es gibt auch die Streckenabschnitte, auf denn man so schnell fahren kann, wie man möchte - besser gesagt: so schnell, bis die Blechkiste auseinfällt oder die Zylinder abrauchen..

Das Fahren ohne Limit eine Touristenattraktion sein kann, darauf bauen die unzählige Achterbahnen - allen voran in amerikanische Erlebnisparks. Aber das von einfachen Bürger selbst geführte Fahrzeuge hohe Geschwindigkeiten erreichen dürfen, daran mag man selbst im Land der unbegrenzten Unmöglichkeiten nicht denken. Ich kann mich erinnern, mal ein Interview mit einem US-amerikanische Hardrock-Musiker gesehen oder gehört zu haben. Auf die Frage, worauf er sich während seiner Deutschland-Tournee besonder freue, kam die Antwort: Fahren auf der Autobahn. Sein Manager hatte ihm extra ein extra flottes Gefährt für eine Spritztour organisiert. Der Mann aus dem Land der Freiheit muß in das Land der Schrebergärten kommen, um den Adrenalinschub bei "unlimited Speed" zu erleben. Eigenartig, oder?

Die Frage, warum gerade in einem Land, dessen gesellschaftliches Leben so intensiv von Gesetzen, Regulierungen und Vorgaben durchdrungen ist, gerade die wesentliche Beschränkung der Maximalgeschwindigkeit nicht existiert, ist bereits vielfältig interpretiert worden. Antworten kann man einige finden. Vermutlich liegt es nicht primär an den Gesetzen. Bürokratie und umständliche Verfahren gibt es genauso in anderen Ländern. Aber dort gibt es auch Möglichkeiten, diese zum Umgehen, die von den ambitionierten Bürger intensiv genutzt werden. Die Deutschen sind da etwas anderes: Sie versuchen sich immer an die Regeln zu halten (siehe Rote Ampel). Vielleicht ist es deshalb möglich, den Einwohnern hier einen kleinen Freiraum zu lassen, wo sie sich austoben dürfen.

Nun gibt es einige Anstrengungen, dieses "Lücke" zu schließen. Ich will mich hier nicht über Unfallstatistiken auslassen. Eine Statistik kann man immer so oder so lesen. Vermutlich wird die Gesamtzahl der Unfälle bei einem Tempolimit nicht wesentlich heruntergehen. Ob eine Unkonzentriertheit oder falsches Verhalten zu einem Unfall führt, läßt sich auch bei geringerer Geschwindigkeit kaum ändern. Zweifellos sind die Folgen eine Unfalls bei 200km/h wesentlich größer als bei 100km/h. So wird von den Befürwortern der Geschwindigkeitsbegrenzung gern die Verringerung der Anzahl von Unfalltoten angeführt. Eine Verringerung der Unfälle läßt sich aus den Statistiken nicht ableiten.


Collien Fernandes
Die Erfahrung lehren Statistiken aus anderen Länder. Was passiert, wenn man den *räusper* verantwortungsbewußten und übervorsichtigen Deutschen ein Tempolimit vor den Kühler setzt? Eventuell gar nichts - eventuell gibt es einen rasanter Anstieg bei den Temposündern. Denn nachdem das letztes Überdruckventil des überregulierten Gemeinwesens geschlossen ist, könnte sich der Bewegungsdrang in einen zivilen Ungehorsam ausdrücken. Dann wird aus dem kontrollierten Schnellfahren ein unkontrolliertes. Wie sich das in einer Statistik ausdrückt - dazu sage ich mal gleich gar nichts.

Ich gebe zu, daß man die Überschrift dieses Artikel auch makaber auffassen kann. Den "1001. Platz bevor du stirbst" muß nicht einfach nur ein weiterer Eintrag in der Auflistung sondern sein. Man könnte ihn als definitiv Letzten betrachten. Also wenn Bungee-Jumping in Neuseeland (im Buch enthalten) nicht den ultimativen Kick bringt, dann fährt man eben auf der deutschen Autobahn. Die Wahrscheinlichkeit dabei einen Todesfall zu erleiden, macht den "1001st place" zum "last place before you die". Ob sich die Buchautoren so einer Implikation bewußt waren?


Philipp Lahm
Versuche, die Geschwindigkeit auf der Autobahn zu reduzieren, gibt es unzählige. Man setzt dabe nicht unbedingt auf neue Gesetze sondern eher auf Verständnis oder - neuerdings - auf markige Sprüche. Bewundern kann man das auf den Plakaten, die jetzt an diversen Autobahnabschnitten angebracht sind. Über Sinn und Wirkung solcher Plakataktionen wird es bestimmt sehr widersprüchliche Untersuchungsergebnisse geben. Ich bin der Überzeugung, daß es hier nur um die staatliche Förderung von Werbeagenturen geht, die ihre Dienste auf dem freien Markt nicht vermitteln können. Die bekommen öffentliche Gelder dafür, daß sie sinnhafte oder -frei Aussagen in hübschen Dekorationen darbieten.

Wobei ich zugeben muß, daß es mir die Plakate schon angetan haben. Besonders das eine der Mädel - die mit der Grips-Aussage - gefällt mir. Ehrlich! Einem Raser wenig Grips zu unterstellen, ist natürlich Unsinn. Beim schnellen Fahren ist Intelligenz nicht erforderlich, eher hinderlich. Es kommt auf gute Auffassungsabe und schnelle Reaktion an - also ausgeprägte Instinkte. Wer zu lange überlegt, hat keine Chance bei Tempo 200+. Insofern ist ein kleiner Grips kein Hinderungsgrund. Jemand mit großem Grips sollte dagegen sein Hirn abschalten können, wenn er mit Tunnelblick auf die Schallmauer überleben will.


Sarah Kuttner
Rein optisch ist die Dame sicherlich in Plakat dieser Größe wert. Nur scheint mir die Art der Präsentation eher kontraproduktive. Mein erster Gedanke bei diesem Bild war nämlich: "Von der Tussi lasse ich mir gleich gar nichts sagen." Demonstrativ drückte ich das Gaspedal glatt gegen das Bodenblech.




PS. Habe gerade in einem Forum gelesen, dass die Grips-einfordernde Frau Sarah Kuttner ist. Keine Ahnung, wer das ist, aber das wirkt zumindest einen Tick überzeugender als ein namenloses Model.

PS vom 29.06.07: Ich habe mich weitergebildet und auf youtube.com ein paar Videos mit Sarah Kuttner gefunden. Die Frau hat sogar ein Buch geschrieben, welches zudem in der hiesigen Bibliothek ausleihbar war. Vielleicht ist es als Lektüre für einige langatmige Zugfahrten geeignet.